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Daten, die von privaten Unternehmen der Forschung zur Verfügung gestellt werden, gewinnen an Bedeutung und stellen eine herausragende Basis für verschiedene methodische und inhaltliche Fragestellungen in der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung dar – werden bisher aber noch selten genutzt. Diese Daten ermöglichen es, wirtschaftliche Größen teilweise in Echtzeit zu messen, einen höheren Detaillierungsgrad zu erreichen oder einen Blick in die Black Box der Entscheidungsfindung in Märkten und Unternehmen zu werfen.
Unternehmensdaten werden z.B. in der Innovationsökonomik, der Nachhaltigkeitsforschung aber auch in vielen anderen Gebieten der Wirtschafts- und Sozialforschung genutzt.
Unternehmensdaten lassen sich in zwei Kategorien einteilen:
Quelle: Gottschalk, Sandra et al. (2023) : Unternehmensdaten: Nutzbarkeit verbessern, Wirtschaftsdienst, ISSN 1613-978X, Sciendo, Warsaw, Vol. 103, Iss. 11, pp. 750-753, https://doi.org/10.2478/wd-2023-0208
Forschungsdatenzentren (FDZ) stehen vor mehreren potenziellen Problemen bei der Arbeit mit Unternehmensdaten. Unternehmensdaten sind insbesondere mit der fortschreitenden Digitalisierung und den steigenden Rechenkapazitäten für die Wissenschaft zugänglich geworden. Da diese Daten in der Wissenschaft erst in letzter Zeit an Bedeutung gewinnen, ist das Forschungsdatenmanagement für diesen Datentyp noch nicht ausreichend dokumentiert.
Der Zugriff auf Unternehmensdaten kann aufgrund rechtlicher Einschränkungen, Datenschutzbedenken und Eigentumsüberlegungen der Unternehmen schwierig sein. Zudem gilt es „kulturelle“ Unterschiede zwischen der Wissenschaft und der Unternehmenswelt zu überbrücken und Vertrauen bei möglichen Datenkooperationspartnern aufzubauen.
Wegen einer unübersichtlichen Rechtslage, möglichen restriktiven Lizenzbedingungen der datengebenden Unternehmen und der daraus resultierenden Unsicherheit, präsentieren Daten, die von den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, spezifische Herausforderungen nicht nur für einzelne Forschende, sondern auch für die Datenkuratierung in FDZ. Mehrere Initiativen, wie z.B. Zugang zu Firmendaten für die Wirtschaftswissenschaften des KonsortSWD, streben danach, Kooperationen zu etablieren, die eine FAIRe-Nachnutzung dieser Daten durch Forschungsdatenzentren ermöglichen.
Die für Unternehmensdaten besonders relevanten Kuratierungsaspekte betreffen vor allem die ersten Schritte des Kurationslebenszyklus: Erstellung & Empfang und Auswahl & Bewertung.
Bei Unternehmensdaten können Qualitätsproblemen wie Ungenauigkeiten, Inkonsistenzen und fehlenden Werten auftreten. Eine Besonderheit von Unternehmensdaten ist, dass ihr ursprünglicher Erhebungszweck nicht die (freie) Forschung ist. Daraus ergeben sich spezifische Herausforderungen, z.B. dass sich die Struktur der Daten ändern kann. Google hat beispielsweise den Grippe-Index auf der Grundlage von geolokalisierten Suchanfragen berechnet. Die Schwierigkeit bestand darin, dass sich die Gesamtzahl der Google-Anfragen im Laufe der Zeit erhöht hat und dass sich auch das Suchverhalten und damit die Schlüsselwörter geändert haben. Daher müssen solche Indizes und generell die Originaldaten sorgfältig gepflegt und aktualisiert werden.
Sie als Datenkuratierende müssen beim Empfang von Forschungsdaten besonders auf die vertraglichen Vereinbarungen mit Kooperationspartnern (Unternehmen oder Firmen) achten. Diese Vereinbarungen regeln häufig den Umgang mit sensiblen oder proprietären Wirtschaftsdaten und definieren die Rechte und Pflichten hinsichtlich der Nutzung, Speicherung und Weitergabe der Daten. Die Kuratierenden müssen sicherstellen, dass alle vertraglichen Bestimmungen, wie zum Beispiel Datenschutzrichtlinien, Geheimhaltungsvereinbarungen und Nutzungsrechte, eingehalten werden, um rechtliche und ethische Standards zu wahren und mögliche Konflikte zu vermeiden.
In der Praxis werden für die Zusammenarbeit mit einem Kooperationspartner bestimmte Bedingungen für die Datenbereitstellung festgelegt. Ein Beispiel hierfür ist die Vereinbarung, dass die betreffenden Daten erst nach der Veröffentlichung eines Quartalsberichts durch den Partner der wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich gemacht werden. Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass die vorzeitige Veröffentlichung der Daten oder damit verbundener Informationen potenziell den Börsenkurs des Unternehmens beeinflussen könnte, noch bevor der Quartalsbericht öffentlich zugänglich ist. Um unerwünschte negative Folgen zu vermeiden, ist es die Rolle der Datenkuratoren, diese Zeitrahmen und die damit verbundenen vertraglichen Verpflichtungen strikt zu überwachen und sicherzustellen, dass die Daten erst dann freigegeben werden, wenn die Bedingungen des Kooperationspartners erfüllt sind.
Datenschutzaspekte stellen die größte Herausforderung bei der Kuratierung von Unternehmensdaten dar.
Für die Anonymisierung gelten besondere Anforderungen. Unternehmensdaten können vertrauliche Informationen enthalten (Know-how-Schutz) oder strengen Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsvereinbarungen unterliegen. Bei Unternehmensdaten ist darauf zu achten, dass nicht wie bei den meisten „klassischen“ Forschungsdaten nur die Beobachtungseinheit (z.B. eine Person oder ein Haushalt) schutzwürdig ist, sondern auch der Datengeber selbst.
Ein Beispiel für eine Form der Schutzwürdigkeit, dies sich auf die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen bezieht, ist der Datensatz RWI-GEO-RED des Forschungsdatenzentrums Ruhr am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Er enthält die gesammelten Inserate von ImmoScout24. Die aggregierte Anzahl der Inserate zu einem bestimmten Zeitpunkt ist aussagekräftig für die Performance des Unternehmens, was für das Unternehmen eine sensible (börsenrelevante) Information ist. Das PUF-File (Public-Use-File) wird daher vom FDZ-Ruhr nur ohne den aktuellen Rand und mit veränderten Fallzahlen veröffentlicht.
Forschende, die Unternehmensdaten für ihre Forschung verwenden, treffen in der Regel Geheimhaltungsvereinbarungen. Dabei müssen bestimmte Punkte beachtet werden:
Die Bewältigung obengenannten Aspekten erfordert die Zusammenarbeit zwischen FDZs, Firmendatenanbietern, Rechtsexperten und Aufsichtsbehörden, um die verantwortungsvolle und ethische Nachnutzung und Archievierung von Unternehmensdaten für Forschungszwecken sicherzustellen.
Auf der Webseite der IHK für München und Oberbayern, finden Sie ein Muster für eine Geheimhaltungsvereinbarung.